Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) ist ein zentraler Bestandteil des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM). In größeren Mittelstandsunternehmen mit 100 bis 499 Beschäftigten haben bereits 51,8 % ein BGM eingeführt – intern oder extern beauftragt. Je kleiner die Belegschaft, desto seltener ist ein BGM vorhanden (Handelskammer Hamburg, Wettbewerbsfaktor Gesundheit, 2014). Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) muss jedoch von jedem Unternehmen durchgeführt werden, unabhängig von der Unternehmensgröße, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Doch immer wieder stellt sich in der Praxis die Frage: Wann ist ein BEM-Verfahren abgeschlossen? Und kann der Arbeitgeber das BEM einseitig beenden? Diese Fragen haben nicht nur arbeitsrechtliche Bedeutung, sondern auch praktische Konsequenzen für das BEM-Fallmanagement.

Wann gilt ein BEM als abgeschlossen?
Ein BEM ist beendet, wenn der Klärungsprozess über mögliche Maßnahmen zur Reduzierung von Arbeitsunfähigkeit und zur Sicherung des Arbeitsplatzes ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten des Abschlusses:
- Vereinbarung und Umsetzung von Maßnahmen: Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigen sich auf geeignete BEM-Maßnahmen, die dann erfolgreich umgesetzt wurden.
- Keine geeigneten Maßnahmen: Falls keine umsetzbaren oder erfolgversprechenden Maßnahmen gefunden werden, kann das BEM beendet werden.
- Ablehnung oder Abbruch durch den Arbeitnehmer: Ein BEM ist freiwillig. Lehnt der Arbeitnehmer das Verfahren ab oder bricht es ab, ist das BEM abgeschlossen.
- Einvernehmliche Beendigung: Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen gemeinsam zu dem Schluss, dass das BEM abgeschlossen ist oder keine weiteren Maßnahmen erforderlich sind.
Kann der Arbeitgeber ein BEM einseitig beenden?
Die klare Antwort lautet: Nein! Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mehrfach festgestellt, dass ein BEM nicht allein vom Arbeitgeber einseitig beendet werden kann (BAG vom 18.11.2021 – 2 AZR 138/21).
Ein BEM ist ein ergebnisoffener Suchprozess (BAG, Urteil vom 10.12.2009 – 2 AZR 400/08), bei dem alle relevanten Akteure beteiligt werden müssen. Erst wenn auch Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung oder Inklusionsamt keine ernsthaft weiter zu verfolgenden Ansätze aufzeigen, kann das Verfahren als beendet gelten. Der Arbeitgeber muss eine Frist zur Stellungnahme einräumen und eine nachvollziehbare Begründung für das Ende des BEM dokumentieren.
Rechtssicheres Vorgehen bei der Beendigung eines BEM
Ein BEM gilt als ordnungsgemäß abgeschlossen, wenn folgende Aspekte erfüllt sind:
- Beteiligung des Arbeitnehmers: Der Arbeitnehmer muss umfassend beteiligt sein und eigene Vorschläge einbringen können.
- Einbeziehung relevanter Akteure: Falls erforderlich, müssen der Betriebsrat, die Schwerbehindertenvertretung und externe Fachdienste beteiligt werden.
- Prüfung von Maßnahmen: Alle realistischen Maßnahmen zur Wiedereingliederung müssen systematisch geprüft werden.
- Dokumentation: Falls keine zumutbaren Maßnahmen gefunden wurden oder der Arbeitnehmer keine weiteren wünscht, muss dies lückenlos dokumentiert sein.
- Fristsetzung: Arbeitgeber müssen den Beteiligten eine Frist einräumen, um weitere Vorschläge einzubringen.

Praxiserfahrungen: Herausforderungen im BEM-Fallmanagement
In der Praxis des BEM-Fallmanagements treten immer wieder Unsicherheiten auf. So ist der Verlauf von BEM-Fällen oft unklar: BEM-Beauftragte, Betriebsräte oder die Schwerbehindertenvertretung wissen teils nicht genau, ob das Verfahren noch läuft oder bereits abgeschlossen ist. Zudem kommt es häufig zur voreiligen Beendigung des BEM-Prozesses, da Arbeitgeber mitunter keine Perspektive für geeignete Maßnahmen sehen und das Verfahren voreilig beenden.
Besonders relevant ist auch die Bedeutung des BEM für den Kündigungsschutz. Das Bundesarbeitsgericht betont, dass der Arbeitgeber den Verlauf der Maßnahmen abwarten muss, bevor eine Kündigung ausgesprochen werden kann. Ein vorschneller Abbruch des BEM kann daher zu rechtlichen Konsequenzen führen.
BEM-Gespräche erfolgreich führen: Rechtssicherheit, klare Prozesse und nachhaltige Lösungen
Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) beeinflusst nicht nur die rechtlichen Verpflichtungen eines Unternehmens, sondern auch die Art und Weise, wie BEM-Gespräche geführt und die Zusammenarbeit mit dem betroffenen Arbeitnehmer gestaltet werden. Ziel ist es, einen effektiven und vertrauensvollen BEM-Prozess zu etablieren, der sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Arbeitnehmer langfristige Vorteile bietet.
Ein zentrales Element ist die strukturierte und transparente Kommunikation. Arbeitgeber sind verpflichtet, den Arbeitnehmer formell und nachweisbar zu einem BEM-Gespräch einzuladen. Diese Einladung muss alle relevanten Informationen enthalten: den Zweck des BEM (Wiedereingliederung und Prävention weiterer Arbeitsunfähigkeit), die Freiwilligkeit der Teilnahme, potenzielle Gesprächsbeteiligte wie Betriebsrat oder Schwerbehindertenvertretung sowie Hinweise zum Datenschutz. Dabei ist es essenziell, dass das Gespräch lösungsorientiert geführt wird. Schuldzuweisungen oder Druck auf den Arbeitnehmer sind fehl am Platz – stattdessen geht es darum, gemeinsam Maßnahmen zu erarbeiten, die zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit beitragen können. Standardisierte Lösungen reichen dabei oft nicht aus, vielmehr muss jede Situation individuell betrachtet werden. Arbeitgeber sollten den Arbeitnehmer aktiv einbinden und ihm die Möglichkeit geben, eigene Vorschläge oder Wünsche zu äußern.
Ein weiteres entscheidendes Kriterium für ein rechtssicheres BEM ist die umfassende Dokumentation des gesamten Prozesses. Die durchgeführten Gespräche, besprochenen Maßnahmen und Ergebnisse müssen nachvollziehbar festgehalten werden. Eine unzureichende Dokumentation kann für das Unternehmen erhebliche arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, insbesondere in Kündigungsschutzprozessen.
Fazit
Ein betriebliches Eingliederungsmanagement ist dann abgeschlossen, wenn alle relevanten Akteure beteiligt waren, Maßnahmen systematisch geprüft wurden und eine nachvollziehbare Dokumentation vorliegt. Der Arbeitgeber kann das BEM nicht einseitig beenden, ohne dass der Prozess ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Unternehmen sollten daher auf eine strukturierte und transparente Vorgehensweise setzen, um rechtliche Risiken zu vermeiden und eine nachhaltige Wiedereingliederung zu ermöglichen.
Weiterbildungsmöglichkeiten für BEM-Beauftragte
Um Unsicherheiten im BEM-Prozess zu vermeiden und rechtssicher zu handeln, sind praxisorientierte Schulungen essenziell. Wer tiefer in das Thema einsteigen möchte, findet in spezialisierten BEM-Seminaren, BEM-Fortbildungen und der BEM-Ausbildung fundierte Qualifikationsmöglichkeiten. Diese vermitteln nicht nur rechtliche Rahmenbedingungen, sondern auch erprobte Methoden zur Prozessgestaltung und Fallbearbeitung.