BEM-Prozess: Muss ein Arbeitgeber für einen BEM-Nehmer einen Arbeitsplatz freimachen?

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Rechtslage und Verpflichtungen des Arbeitgebers

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist ein wesentlicher Bestandteil der Personalstrategie, um erkrankte Beschäftigte wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren. Dabei hält sich in der Praxis teils hartnäckig die Frage, ob Arbeitgeber nicht verpflichtet sind, für einen BEM-Nehmer einen Arbeitsplatz freizumachen.

Prüfung der Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung

Arbeitgeber sind verpflichtet, alle zumutbaren Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung eines erkrankten Mitarbeiters zu prüfen. Dazu kann beispielsweise die Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes durch ergonomische Maßnahmen gehören oder flexible Arbeitszeitregelungen. Ebenso ist zu prüfen, ob eine alternative Beschäftigung auf einem freien, zumutbaren Arbeitsplatz in Betracht kommt. Umschulungen oder Weiterbildungen können dabei eine Option sein, wenn eine neue Tätigkeit innerhalb des Unternehmens realisierbar ist. Eine generelle Verpflichtung, einen Arbeitsplatz für einen BEM-Nehmer freizumachen oder andere Beschäftigte zu versetzen, besteht jedoch nicht.

Zumutbarkeit und Interessenabwägung im BEM-Verfahren

Im BEM-Verfahren müssen Arbeitgeber laut ständiger Rechtsprechung des BAG sorgfältig prüfen, welche Maßnahmen zur leidensgerechten Weiterbeschäftigung in Frage kommen. Eine Verpflichtung zur Schaffung neuer Arbeitsplätze gibt es nicht. Ebenso wenig können BEM-Nehmer verlangen, gegenüber anderen Beschäftigten bevorzugt behandelt zu werden. Arbeitgeber sind jedoch dazu verpflichtet, ernsthaft zu prüfen, ob eine leidensgerechte Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz möglich ist. Die Anforderungen an diese Prüfung sind hoch, da eine unzureichende oder oberflächliche Betrachtung zu rechtlichen Konsequenzen führen kann.

Bedeutung der BAG-Rechtsprechung für die BEM-Praxis

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass eine Kündigung nicht allein deshalb gerechtfertigt ist, weil der Arbeitgeber festlegte, ein BEM-Verfahren sei nicht erfolgreich gewesen. Arbeitgeber müssen detailliert darlegen, warum eine Weiterbeschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht möglich ist und welche Anpassungen oder Alternativen geprüft wurden. Sie müssen nachweisen, dass eine leidensgerechte Anpassung oder Veränderung nicht umgesetzt werden konnte und dass keine geeignete Stelle für eine anderweitige Weiterbeschäftigung zur Verfügung stand.

Besonders hervorzuheben ist diese Kernaussage des BAG-Urteils vom 20. November 2014 (2 AZR 755/13):

„Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein BEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten.“ (Rn. 39)

Diese Aussage stellt klar, dass der Arbeitgeber prüfen muss, ob eine leidensgerechte Anpassung oder eine andere zumutbare Weiterbeschäftigung möglich ist. Vielmehr muss er belegen, dass sämtliche Alternativen geprüft wurden und keine zumutbare Lösung zur Weiterbeschäftigung existiert.

Herausforderungen in der praktischen Umsetzung des BEM

In der Praxis zeigt sich, dass viele Unternehmen die Möglichkeiten des BEM nicht vollständig ausschöpfen. Häufig werden Maßnahmen ohne individuelle Anpassung eingesetzt oder externe Unterstützungsangebote, wie die des Integrationsamtes oder vielfältige Leistungen des Sozialwesens, nicht genutzt. Ein weiteres Problem besteht darin, dass BEM-Verfahren oft nach einer einzigen, nicht erfolgreichen Maßnahme abgebrochen werden, ohne die Gründe für das Scheitern zu analysieren oder alternative Wege zu prüfen. Ein professionell durchgeführtes BEM erfordert eine differenzierte Vorgehensweise, bei der Maßnahmen regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Der Einbezug externer Experten kann dabei wertvolle Unterstützung bieten.

Bedeutung eines strategischen und professionellen BEM

Unternehmen sind nicht verpflichtet, für BEM-Nehmer Arbeitsplätze freizumachen oder andere Beschäftigte zu versetzen. Sie müssen jedoch sicherstellen, dass alle Möglichkeiten zur leidensgerechten Weiterbeschäftigung sorgfältig geprüft wurden. Ein strukturiertes und professionelles BEM kann wesentlich dazu beitragen, krankheitsbedingte Fehlzeiten zu reduzieren, Fachkräfte im Unternehmen zu halten und die Arbeitgebermarke zu stärken. Die strategische Verzahnung von BEM-Maßnahmen mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) kann dabei zusätzliche Potenziale erschließen.

Weiterbildungsmöglichkeiten für BEM-Beauftragte

Eine sichere und rechtskonforme Umsetzung des BEM erfordert fundierte Kenntnisse. Praxisorientierte Schulungen helfen, den BEM-Prozess und Ablauf effektiv zu gestalten. Spezialisierte BEM-Fortbildungen bieten Einblicke in rechtliche Rahmenbedingungen und praxiserprobte Methoden der Fallbearbeitung. Auch BEM-Beratung kann unterstützen, bestehende Strukturen zu analysieren und gezielt weiterzuentwickeln.

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Manfred Baumert
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Manfred Baumert
Personaldiagnostik
Trainer, Recruiter, BEM-Berater & Case Manager

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In Zeiten steigender Belastungen am Arbeitsplatz ist ein effektives Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) entscheidend. Seine langjährigen Erfahrungen in der eignungsdiagnostischen Personalauswahl, als Trainer und Berater für Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) unterstützt Unternehmen dabei, Mitarbeitende nach Erkrankungen erfolgreich zu reintegrieren und somit wertvolle Kompetenzen im Unternehmen zu halten.

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