Mit zwei Geschwindigkeiten im betrieblichen Eingliederungsmanagement: nachhaltige Wiedereingliederung statt Rückfallquote

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Warum nachhaltige Rückkehrprozesse im BEM heute wichtiger denn je sind

Die Erwartungen an das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) sind hoch. Es soll arbeitsunfähige Beschäftigte zurück in den Job bringen, Ressourcen im Unternehmen sichern und Fehlzeiten reduzieren. Doch in der Praxis zeigt sich oft ein anderes Bild: Viele BEM-Verfahren wirken gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Die Annahmequote ist gering, Abbruch- und Rückfallquote bleiben hoch, psychisch erkrankte Mitarbeitende scheitern beim Wiedereinstieg, und Personalverantwortliche fühlen sich überfordert. Die Gründe liegen häufig in zögerlichem Vertrauensaufbau im Gesprächsprozess für den es Zeit braucht, bei der Maßnahmenumsetzung fehlt es jedoch am Individualisierungsgrad, Tempo und Controlling, fehlendem Know-how im Umgang mit komplexen Fallverläufen sowie in einem BEM-Verfahren mit zwei Geschwindigkeiten, die nicht zusammenzupassen scheinen.

Wie können Unternehmen diesen Widerspruch auflösen und zu einem wirksamen, nachhaltigen BEM finden? Genau das beleuchtet dieser Beitrag.

Die zwei Geschwindigkeiten im BEM-Prozess: Vertrauen und Tempo im Gleichgewicht

In erfolgreichen BEM-Verfahren lassen sich zwei sehr unterschiedliche „Geschwindigkeiten“ beobachten, beide notwendig, aber oft nicht synchronisiert. Die Geduld im Aufbau von Vertrauen ist essenziell. Besonders bei psychischen Erkrankungen oder belastenden Langzeiterkrankungen ist es notwendig, sich Zeit für eine tragfähige Beziehungsebene zu nehmen. Parallel dazu braucht es jedoch eine gewisse Schnelligkeit in der Entwicklung, Koordination und Umsetzung passgenauer BEM-Maßnahmen. Ohne diesen Schritt bleiben Fortschritte aus, der Prozess zieht sich, und Rückfälle drohen. Genau hier liegt die größte Herausforderung für BEM-Berater: Wie gelingt es, mit begrenzten Kapazitäten beide Geschwindigkeiten zu bedienen und für rechtssichere, wirksame Prozesse zu sorgen, ohne im administrativen Aufwand zu versinken?

Typische Fehlerquellen in internen BEM-Prozessen

Aus Gesprächen mit BEM-Verantwortlichen und Personalabteilungen kristallisieren sich bestimmte Probleme als besonders häufig heraus. Trotz strukturierter Abläufe bleibt die Wirksamkeit gering, Rückkehrquoten stagnieren, und es herrscht Unsicherheit im Umgang mit psychischen Erkrankungen. Gleichzeitig steigt der Aufwand durch administrative Anforderungen, während notwendiges methodisches Fachwissen im Case Management fehlt. Die Folge sind gut gemeinte Gespräche, die jedoch kaum zu wirksamen Maßnahmen führen.

Erfolgreiches BEM braucht passgenaue Maßnahmen

Erfolgreiche Unternehmen setzen auf ein neues Verständnis von BEM. Sie verfolgen maßgeschneiderte Maßnahmen, bieten individuelle Prozessbegleitung an und sorgen für eine gezielte Verzahnung mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) sowie weiteren Unterstützungssystemen. Basierend auf aktuellen Erkenntnissen zur BEM-Maßnahmenplanung zeigt sich, dass jeder Prozess mit einem ernst gemeinten Zuhören beginnt. Aktives Zuhören ist keine Methode, sondern eine Haltung. Wer verstehen will, was Mitarbeitende aus dem Gleichgewicht bringt, welche bisherigen Strategien versagt haben und was als hilfreich erlebt wird, kann im nächsten Schritt auch tragfähige Lösungen entwickeln. Gleichzeitig verbleibt jedoch nicht viel Zeit für mehrfache und umfassende BEM-Gespräche. Hier kann man von der Psychologie und in Beratung erfahrenen Pädagogen lernen: Gespräche über 50 Minuten sind häufig ineffektiv, der Klient beginnt nicht selten thematisch zu meandern. Kompetenzen in Gesprächsführung und Gesprächstechniken sind also unerlässlich. Aber vor allem deren individuell angepasste Umsetzung, d.h. „Kapieren statt Kopieren“ oder auch „Das Wissen muss ein Können werden.“

Drei Wirkungsebenen von BEM-Maßnahmen: Technisch, organisatorisch und persönlich

Erfolgreiches BEM unterscheidet sich vor allem durch die gezielte Kombination verschiedener Maßnahmenkategorien. Technische Maßnahmen wie beispielsweise ergonomische Anpassungen werden mit organisatorischen Lösungen wie flexiblen Arbeitszeitmodellen und persönlichen Unterstützungsangeboten wie Coaching oder psychologischer Beratung verknüpft. Besonders bei psychischen Erkrankungen entfalten diese differenzierten Maßnahmen ihre Wirkung, wenn sie fein aufeinander abgestimmt sind und konsequent umgesetzt werden.

Was passiert, wenn Umsetzung und Verantwortung fehlen

Ein Fallbeispiel macht deutlich, wo viele BEM-Prozesse ins Stocken geraten. Ein Unternehmen mit rund 900 Mitarbeitenden führt das BEM formal korrekt durch. Ein Mitarbeitender mit Depression nimmt am Gespräch teil, der Betriebsarzt gibt Empfehlungen ab, das Gesprächsprotokoll ist vollständig. Doch es fehlt ein konkreter Maßnahmenplan, der Mitarbeitende wartet wochenlang auf Rückmeldung, die Führungskraft ist unsicher, welche Aufgaben übergeben werden dürfen, und die Rückkehr scheitert. Die Folge ist eine erneute Krankschreibung, hohe Kosten und ein spürbarer Vertrauensverlust. Dieser Fall zeigt exemplarisch, dass das BEM nicht allein im Gespräch endet, sondern durch eine strukturierte, dynamische Maßnahmenplanung und -umsetzung zum Erfolg wird.

Professionelle Umsetzung: Der Erfolgsfaktor im BEM

Die Umsetzung entscheidet über den Erfolg. Damit sie gelingt, braucht es feste Zeitfenster, verantwortliche Personen mit klarer Zuständigkeit, regelmäßige Rückmeldungen zur Wirksamkeit der Maßnahmen und eine kontinuierliche Fallkoordination, idealerweise durch geschulte Fachkräfte. Ein professionelles Case Management im betrieblichen Eingliederungsmanagement entlastet HR spürbar, insbesondere bei komplexen Fällen mit mehreren Beteiligten.

Einwand: „Dafür haben wir keine Kapazitäten!“ – eine wirtschaftliche Betrachtung

Immer wieder begegnet man in der Praxis dem Einwand, dafür keine Kapazitäten zu haben. Doch unterlassene Wiedereingliederung kostet deutlich mehr. Fehlzeiten bleiben hoch, Teams werden zusätzlich belastet, die Kosten für Krankengeld und Vertretungen steigen, und Kündigungsschutzverfahren können aufwendig und risikoreich werden. Investitionen in wirksames BEM rechnen sich – strategisch, wirtschaftlich und menschlich.

Warum externe BEM Beratung den Unterschied machen kann

Wenn interne Ressourcen nicht ausreichen, bietet externes betriebliches Eingliederungsmanagement eine wertvolle Unterstützung. Externe BEM Dienstleister bringen multiprofessionelle Expertise ein, entlasten bei der Bearbeitung schwieriger Fälle, übernehmen Moderation und Dokumentation und ermöglichen es HR, sich auf strategische Aufgaben zu konzentrieren. Die Rolle eines externen BEM Anbieters muss dabei nicht als Ersatz für interne Strukturen verstanden werden, sondern als fachlich fundierte Ergänzung.

Innovative Weiterentwicklung der BEM-Strukturen

Unternehmen, die beim BEM erfolgreich sind, integrieren zunehmend innovative Impulse in ihre Praxis. Kollegiale Fallberatung für BEM-Beauftragte bietet Raum für Austausch, Reflexion und kreative Lösungsfindung. Die Verzahnung von BEM-Maßnahmen mit dem BGM schafft Synergien in der Gesundheitsförderung. Digitale Schulungsformate ermöglichen es, Wissen flexibel und praxisnah zu vermitteln. Coaching und Supervision für BEM-Fallmanager stärken deren Handlungssicherheit und sichern die Qualität in schwierigen Fallkonstellationen. Diese Entwicklungen sind keine Luxuslösungen, sondern Grundlage für resiliente Strukturen im Betrieblichen Eingliederungsmanagement.

BEM als strategisches Instrument verstehen – nicht als Pflicht

Wer BEM strategisch weiterentwickeln will, stellt sich zentrale Fragen: Gibt es eine verbindliche Dynamik in der Maßnahmeumsetzung? Verfügen die BEM-Fallmanager vielleicht sogar über fundierte Kompetenzen im Case Management? Ist das BEM wirksam mit dem BGM und dem Arbeitsschutz verzahnt? Wird externe BEM Fachberatung als Ressource genutzt oder nur als Notlösung gesehen? Die Antworten darauf entscheiden darüber, ob BEM im Unternehmen als Pflichtaufgabe oder als wirksames Instrument für nachhaltige Rückkehrprozesse wahrgenommen wird.

Konzept und Methoden des Case Managements im betrieblichen Eingliederungsmanagement

Case Management arbeitet auf mehreren Ebenen zugleich. Auf der Fallebene erfolgt eine bedarfsorientierte Unterstützung, die die Lebenslage der Betroffenen ebenso berücksichtigt wie deren individuelle Veränderungswünsche. Hierbei geht es um das systematische Erfassen von Ressourcen und Unterstützungsbedarfen, die Aktivierung von Netzwerken sowie die Koordination passgenauer Hilfen. Auf der Organisationsebene sorgt Case Management für abgestimmte Abläufe, die innerhalb der Organisation und auch zwischen verschiedenen Akteuren effizient ineinandergreifen. Auf der Systemebene wiederum entsteht durch die Arbeit der Case Manager ein übergreifender Blick auf Versorgungslücken und Kooperationspotenziale – ein wichtiger strategischer Impuls für die Weiterentwicklung betrieblicher Unterstützungsangebote.

Case Management verbessert auch die strukturelle Qualität des BEM-Prozesses

Ein wirksam implementiertes Case Management verbessert nicht nur die individuelle Rückkehr eines Mitarbeitenden, sondern auch die strukturelle Qualität des BEM-Prozesses. Es bietet eine belastbare, regelhafte und zugleich individuell anpassbare Grundlage für komplexe Fallbearbeitung und unterstützt ein „continuum of care“, das Übergänge zwischen verschiedenen Unterstützungsleistungen reibungslos gestaltet. Entscheidend ist dabei, dass Case Management nicht nur Fallsteuerung bedeutet, sondern auch Beziehungsarbeit, Empowerment und systemische Kompetenz – also genau jene Faktoren, die für nachhaltige Eingliederung zentral sind. Damit sie gelingt, braucht es feste Zeitfenster, verantwortliche Personen mit klarer Zuständigkeit, regelmäßige Rückmeldungen zur Wirksamkeit der Maßnahmen und eine kontinuierliche Fallkoordination, idealerweise durch geschulte Fachkräfte. Ein professionelles Case Management entlastet HR spürbar, insbesondere bei komplexen Fällen mit mehreren Beteiligten.

Zwei Geschwindigkeiten, ein Ziel: Die Rückkehr eines Menschen

Ein funktionierendes Betriebliches Eingliederungsmanagement lebt von zwei komplementären Prinzipien: der Langsamkeit im Aufbau einer tragfähigen Beziehung im BEM-Gespräch und der Schnelligkeit bei der Planung und Umsetzung individueller Maßnahmen. Nur wenn beides zusammengedacht und aufeinander abgestimmt wird, lassen sich Rückkehrprozesse stabil gestalten und Rückfallquoten nachhaltig senken. Denn am Ende zählt nicht die perfekte Akte, sondern die gelungene Rückkehr eines Menschen in seine Arbeitswelt. Pointiert ausgedrückt: BEM-Gespräche brauchen Geduld und Zeit, BEM-Maßnahmen Tempo.

Parallel verlaufende Geschwindigkeiten im BEM sichern Fachkräfte und senken Folgekosten

Ein strategisch aufgestelltes Betriebliches Eingliederungsmanagement verbindet zwei scheinbar widersprüchliche Geschwindigkeiten. Diese Parallelität entscheidet über den Erfolg. Unternehmen profitieren von geringeren Ausfallzeiten, höherer Rückkehrquote und deutlichen Einsparungen: Ein schneller Return on Prevention ist realisierbar, wenn Prozesse effizient, aber nicht oberflächlich gestaltet werden. Für die Fachkräftesicherung ist ein professionelles BEM längst kein „Nice-to-have“ mehr, sondern ein zentraler Hebel im Gesundheitsmanagement.

Schnelligkeit entsteht im Kopf – Vertrauen im Gespräch

Wer beides meistert, sorgt nicht nur für erfolgreiche Wiedereingliederung, sondern stärkt die Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens. BEM-Fallmanager, Personalverantwortliche und BEM-Berater brauchen dafür fundierte Kenntnisse im Sozial- und Gesundheitswesen, Gesprächskompetenz – und den Mut, Geschwindigkeit strategisch einzusetzen. Denn wer im BEM Tempo macht, bevor Vertrauen aufgebaut ist, riskiert Rückfälle. Wer Vertrauen gewinnt und zielgerichtet handelt, sichert nachhaltig Arbeitskraft.

Fachwissen gezielt aufbauen, Strukturen stärken

Für viele Unternehmen ist die Weiterentwicklung interner BEM-Strukturen eine Daueraufgabe. Wer sich mit zentralen Fragen der Maßnahmenplanung, der Verzahnung mit dem BGM oder mit Formaten zur Reflexion und Kompetenzentwicklung im BEM auseinandersetzt, findet hierzu praxiserprobte Ansätze, Schulungsformate und fundierte Impulse. Auch für jene, die sich aktuell mit den Themen BEM Ausbildung, BEM Prozess und Ablauf oder der Qualifizierung zum BEM Berater beschäftigen, stehen entsprechende Orientierungshilfen bereit.

 

 

Manfred Baumert – der Autor dieses Beitrags ist Pädagoge und Betriebswirt (MBA), Betrieblicher Eingliederungsmanager (BEM) sowie Case Manager (DGCC). Er verfügt über fundierte Kenntnisse im Schnittfeld von Personalentwicklung und Gesundheitsschutz sowie über eine mehrjährige praktische Erfahrung in der Krisenintervention.

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Manfred Baumert
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Manfred Baumert
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Die Köpfe entscheiden den Wettbewerb!

In Zeiten steigender Belastungen am Arbeitsplatz ist ein effektives Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) entscheidend. Seine langjährigen Erfahrungen in der eignungsdiagnostischen Personalauswahl, als Trainer und Berater für Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) unterstützt Unternehmen dabei, Mitarbeitende nach Erkrankungen erfolgreich zu reintegrieren und somit wertvolle Kompetenzen im Unternehmen zu halten.

Sein Ansatz orientiert sich an wissenschaftlich fundierten Methoden mit praxisorientierten Lösungen, auch mit dem Fokus auf den Nutzen für die Unternehmen. Eine Expertise, die nicht nur die Gesundheit Ihrer Mitarbeitenden fördert, sondern gleichzeitig die Effizienz Ihres Unternehmens als berechtigtes Anliegen berücksichtigt.

Gesunde Mitarbeitende, starkes Unternehmen!

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