Alkoholerkrankungen stellen Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen – sowohl gesundheitlich als auch wirtschaftlich. Im Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) zeigt sich: Suchterkrankungen sind häufig eng mit psychischen Belastungen wie Depressionen verknüpft. Ein sensibles, strukturiertes Vorgehen ist deshalb unverzichtbar, um nachhaltige Wiedereingliederungserfolge zu sichern, Rückfallquoten zu vermeiden und wirtschaftliche Risiken zu reduzieren.

Praxisbeispiel: Fehlgeschlagene Wiedereingliederung – und wie externe Unterstützung die Wende brachte
Ein 48-jähriger Industriemechaniker, seit 18 Jahren bei einem mittelständischen Maschinenbauunternehmen mit rund 650 Mitarbeitenden tätig, erkrankte infolge einer langjährigen Alkoholerkrankung kombiniert mit einer Depression. Nach erfolgreicher stationärer Entwöhnung und psychiatrischer Behandlung bemühte sich der Mitarbeiter eigeninitiativ um ein BEM-Gespräch – ein Schritt, der seine hohe Motivation zur Rückkehr ins Arbeitsleben unterstrich.
Doch: Das BEM-Verfahren war im Unternehmen bislang nur theoretisch eingeführt und wurde aufgrund hoher Arbeitsbelastung de facto nicht umgesetzt. Sein Gesprächswunsch blieb unbeantwortet, stattdessen wurde ihm kurzfristig ein Krankenrückkehrgespräch anberaumt. Dort wurde dem Mitarbeiter abrupt mitgeteilt, er sei auf seiner bisherigen Montagestation nicht mehr erwünscht. Eine Umsetzung auf eine fremde Baustelle ohne Rücksprache sollte erfolgen – gegen seine Qualifikation und ohne Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Situation.
Der Mitarbeiter brach unter dem psychischen Druck zusammen und fiel erneut krankheitsbedingt aus. Durch die Einschaltung einer externen BEM-Beraters gelang die Wende: In Einzelgesprächen wurde der Mitarbeiter emotional stabilisiert, seine beruflichen Wünsche ermittelt und in moderierte Verhandlungen mit dem Arbeitgeber überführt. Letztlich konnte eine stufenweise Wiedereingliederung auf einer anderen Montagestation, angepasst an seine Fähigkeiten, organisiert werden. Dort fand der Mitarbeiter Akzeptanz, erhielt psychologische Begleitung und konnte seine Rückkehr erfolgreich gestalten.
Dieses Beispiel zeigt: Professionelle, externe Unterstützung kann den entscheidenden Unterschied machen – sowohl für die Gesundheit der Betroffenen als auch für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen.

Alkoholsucht im Betrieb: Dimensionen und Risiken
Alkoholkonsum bleibt eine unterschätzte Ursache für Fehlzeiten und Leistungseinbußen. Laut Suchtbericht 2025 (F.A.Z., 26.04.2025) sterben jährlich rund 47.500 Menschen in Deutschland an den Folgen von Alkoholkonsum. Etwa 9 % der 18- bis 64-Jährigen gelten als alkoholabhängig oder missbräuchlich konsumierend.
Für Unternehmen bedeutet dies:
- Erhöhte Unfallrisiken
- Steigende Fehlzeiten
- Produktivitätsverluste und Folgekosten
Alkoholerkrankungen bleiben oft jahrelang unentdeckt – insbesondere, wenn Kolleginnen und Kollegen aus falsch verstandener Solidarität deckend wirken. Dies erhöht die Herausforderungen im BEM erheblich.
BEMpsy: Suchterkrankungen und psychische Erkrankungen im Kontext des BEM
Alkoholerkrankungen sind selten isolierte Probleme. Viele Betroffene entwickelten zuvor psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen. Diese Komorbiditäten machen eine professionelle Fallbearbeitung im BEM zwingend notwendig.
Wichtige Maßnahmen im BEMpsy-Kontext:
- Frühzeitige Einladung zum BEM nach sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit
- Sensible, anonymisierte Fallbesprechungen im BEM-Team
- Individuelle Wiedereingliederungspläne (z. B. reduzierte Arbeitszeit)
- Unterstützung bei Vermittlung an Sucht- und Psychotherapieeinrichtungen
- Integration von Rückfallprophylaxe-Programmen
- Kontinuierliche Begleitung durch qualifizierte externe Fallmanager
Frühzeitige BEM-Einladung: auch vor sechs Wochen möglich und sinnvoll
Eine Einladung zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) ist nicht erst nach Ablauf von sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit möglich. Arbeitgeber dürfen und sollten bereits früher ein BEM anbieten, wenn absehbar ist, dass die Arbeitsunfähigkeit länger andauern wird oder der Gesundheitszustand eine frühzeitige Unterstützung sinnvoll erscheinen lässt.
Ein frühzeitiges BEM kann helfen, Arbeitsunfähigkeitszeiten zu verkürzen, eine schrittweise Rückkehr besser vorzubereiten und individuelle Unterstützungsangebote frühzeitig zu gestalten. Wichtig ist dabei, dass das Angebot freiwillig bleibt und den Beschäftigten signalisiert, dass der Arbeitgeber an einer nachhaltigen Lösung interessiert ist.
Rechtlicher Hintergrund: § 167 Abs. 2 SGB IX verlangt ein BEM-Angebot spätestens nach sechs Wochen – ein früheres Angebot ist ausdrücklich erlaubt und sinnvoll.
Wirtschaftliche Bedeutung eines funktionierenden BEM
Die volkswirtschaftlichen Kosten durch Alkoholmissbrauch belaufen sich auf rund 57 Milliarden Euro jährlich (F.A.Z., 26.04.2025). Unternehmen, die Risikofaktoren früh erkennen und mit professionellem BEM steuern, profitieren mehrfach:
- Senkung von Fehlzeiten
- Vermeidung von Frühverrentungen
- Steigerung der Mitarbeiterbindung
- Stärkung der Arbeitgebermarke
Ein professionelles, extern unterstütztes BEM rechnet sich – auch mit Blick auf die gesetzlichen Fürsorgepflichten.

Warum externe Unterstützung im BEM unverzichtbar ist
Interne BEM-Strukturen stoßen oft an Grenzen: Überlastung, fehlende Fachkompetenz im Umgang mit Suchterkrankungen oder Unsicherheiten bei rechtlichen Fragen führen zu Verzögerungen und Fehlern.
Was externe BEM-Experten bieten:
- Rechtssichere Prozessbegleitung
- Erfahrung im Umgang mit psychisch belasteten Mitarbeitenden
- Entlastung der Führungskräfte
- Nachhaltige Wiedereingliederung statt Rückfallquote
- Verbesserung von Arbeitgeberimage und Betriebsklima
BEM-Seminare und Fortbildungen: Kompetenzen nachhaltig stärken
Gezielte BEM Inhouse Seminare und BEM Fortbildungen vermitteln die notwendigen Kompetenzen für einen erfolgreichen BEM-Prozess:
- Aufbau einer funktionierenden Interventionskette
- Gesprächsführung bei Suchtproblematiken
- Rechtliche Rahmenbedingungen sicher anwenden
- Umsetzung individueller Wiedereingliederungspläne
In unseren BEM Seminaren (z. B. Seminar Betriebliches Eingliederungsmanagement) setzen wir auf hohe Praxisorientierung und individuelle Fallarbeit. Neben bewährten Methoden integrieren wir aktuelle Erkenntnisse zu BEMpsy, damit Unternehmen nachhaltig profitieren.
Übrigens: Für Interessierte an einer tiefergehenden Qualifikation bieten wir auch eine umfassende BEM Ausbildung, inklusive der Themen BEM Prozess und Ablauf sowie BEM Berater-Schulung, an – ideal für den Aufbau interner BEM-Kompetenz.
Über den Autor
Manfred Baumert ist MBA, Betriebswirt und Pädagoge mit interdisziplinärer Qualifikation in Betriebswirtschaft, Sozialwesen und Personaldiagnostik. Als zertifizierter Case Manager und BEM-Berater begleitet er Unternehmen beim Aufbau individueller, rechtssicherer BEM-Prozesse. Seine Arbeit verbindet wirtschaftliche, juristische und psychologische Perspektiven, um individuelle und nachhaltige Lösungen für eine erfolgreiche Wiedereingliederung zu schaffen. Sein Schwerpunkt liegt auf einer lösungsorientierten Begleitung, die sowohl die Bedürfnisse der Beschäftigten als auch die betrieblichen Anforderungen im Blick behält.