Warum fundiertes Wissen über die BEM-Rechte für Betriebsräte entscheidend ist
Im betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) sind Betriebsräte unverzichtbare Akteure. Doch viele Betriebsräte sind unsicher, wie weit ihre Rechte konkret reichen. Was dürfen sie fordern, was überwachen, wo mitbestimmen? Und wo verläuft die Grenze zur Verantwortung des Arbeitgebers? Diese Fragen stellen sich besonders dann, wenn es um sensible Prozesse wie den Umgang mit Langzeiterkrankungen, psychischen Belastungen oder komplexen Wiedereingliederungsfällen geht. Ein fundiertes Verständnis der eigenen Rechte ist daher nicht nur rechtlich geboten, sondern auch ein zentraler Schutzfaktor für eine wirksame Interessenvertretung.

Initiativrecht: Wenn der Betriebsrat das BEM auf den Weg bringt
Nach § 167 Abs. 2 Satz 6 SGB IX steht dem Betriebsrat ein Initiativrecht zu. Das bedeutet: Er kann die Einleitung eines BEM-Verfahrens anstoßen. Voraussetzung ist, dass der betroffene Mitarbeitende dem BEM-Verfahren zustimmt. Der Betriebsrat kann somit nicht eigenständig ein BEM erzwingen, wohl aber seine Einleitung vorschlagen – auch gegenüber einem zögerlichen Arbeitgeber. Besonders in Unternehmen ohne klare BEM-Verfahrensordnung kann dieses Recht eine wichtige Rolle spielen.
Klärungs- und Unterrichtungsrechte: Transparenz im Verfahren sichern
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat über das Verfahren zu informieren – insbesondere, wenn dieser am konkreten Fall beteiligt ist. Dabei geht es nicht um personenbezogene Gesundheitsdaten, sondern um Verfahrensdetails: Wurde der Mitarbeitende ausreichend über Ziele, Inhalte und Datenschutzaspekte des BEM informiert? Wird der Werksarzt einbezogen? Werden Leistungen zur Teilhabe geprüft oder das Integrationsamt kontaktiert? Hier zeigt sich: Das Klärungsrecht ist ein wirksames Kontrollinstrument. Es dient nicht der Mitgestaltung einzelner Maßnahmen, sondern der Überprüfung, ob das Verfahren rechtskonform abläuft.

Mitbestimmung: Verfahrensregeln gemeinsam festlegen
Die wohl wichtigste Handlungsoption ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG: Die Mitbestimmung bei allgemeinen Verfahrensfragen. Das heißt: Der Betriebsrat hat das Recht, bei der Ausgestaltung der BEM-Verfahrensregeln mitzubestimmen, etwa über die Einladungspraxis, die Besetzung des BEM-Teams oder die Dokumentation. Ohne diese Mitbestimmung sind vom Arbeitgeber eingeführte Regelungen unwirksam. Gerade hier bietet sich die Chance, klare Standards zu verankern, die alle Beteiligten entlasten – auch im Sinne des Datenschutzes und der Fairness.
Überwachungspflicht: Rechtskonformität sicherstellen
167 Abs. 2 Satz 7 SGB IX verpflichtet den Betriebsrat, die Einhaltung der gesetzlichen BEM-Pflichten durch den Arbeitgeber zu überwachen. Unterstützt wird er dabei durch § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Dies umfasst z. B. die Überprüfung, ob Mitarbeitende korrekt eingeladen wurden, ob ein dokumentierter Klärungsprozess stattfand oder ob gesetzliche Fristen eingehalten wurden. Die Überwachung dient damit auch der Machthemmung: Sie soll verhindern, dass der Arbeitgeber ein BEM einseitig oder fehlerhaft durchführt. Fehlerhafte BEM-Verfahren können zu unzulässigen Kündigungen führen – hier hat der Betriebsrat eine Schutzfunktion.

Grenzen der Beteiligung: Keine Fallsteuerung, aber viel Verantwortung
So wichtig die Rechte des Betriebsrats auch sind: Sie haben Grenzen. Der Arbeitgeber bleibt Herr des Verfahrens. Entscheidungen über konkrete Maßnahmen im Einzelfall trifft er – unter Berücksichtigung der Einwilligung des Betroffenen. Der Betriebsrat darf keine Maßnahmen erzwingen, keine Entscheidungen im BEM-Fall treffen und hat im Einzelfall kein umfassendes Mitbestimmungsrecht. Doch die Einflussmöglichkeiten im Vorfeld, durch Verfahrensregeln, Überwachung und Initiativen, sind erheblich – und sollten aktiv genutzt werden.
Praxisbezug: Rechte kennen, klar kommunizieren, professionell handeln
Gerade in der Praxis zeigt sich, dass viele Betriebsräte unsicher agieren: Aus Angst, zu weit zu gehen – oder aus Unkenntnis, zu viel zu übernehmen. Doch das BEM lebt von Rollenklarheit. Betriebsräte sollten sich bewusst machen, dass sie keine Fallmanager sind, sondern Interessenvertreter. Wer die eigenen Grenzen kennt, kann professionell auftreten, Konflikte vermeiden und zugleich mitgestalten. Dazu braucht es Klarheit, Austausch, gelegentlich auch kollegiale Fallberatung oder ein BEM Seminar zur Rollenreflexion.
BEM-Verfahren: Handlungsempfehlungen für Betriebsräte
- Schaffung transparenter Betriebsvereinbarungen zum BEM-Verfahren
- Nutzung der Mitbestimmung bei allgemeinen Verfahrensfragen
- Prüfung von externen Beratungsangeboten zur Prozessoptimierung
- Nutzung von Fortbildungen, z. B. zu BEM Prozess und Ablauf, Datenschutz im BEM oder psychosozialer Gesprächsführung
- Austausch im Gremium über komplexe oder wiederkehrende Fälle