Warum ist das Betriebliche Eingliederungsmanagement für mich kein Verfahren, sondern ein Spiegel der Arbeitswelt?
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) zeigt, wie eng Arbeit, Gesundheit und Organisation miteinander verflochten sind. Jedes Verfahren erzählt eine Geschichte über Strukturen, Verantwortung und darüber, wie Unternehmen mit Menschen umgehen, wenn Leistung nicht selbstverständlich ist.
Mich fasziniert am BEM, dass es nie zwei identische Fälle gibt.
Hinter jeder Arbeitsunfähigkeit steht ein eigener Kontext – medizinisch, organisatorisch, persönlich.
Das BEM ist wie ein Brennglas: Es zeigt, wo Kommunikation gelingt, wo Systeme überfordert sind, wo Vertrauen trägt – und wo es fehlt.
Was auf den ersten Blick wie ein rechtlich geregelter Prozess wirkt (§ 167 Abs. 2 SGB IX), ist in Wahrheit ein vielschichtiges Geflecht aus Erwartungen, Rollen und Interessen. Und genau darin liegt sein Reiz.
Im BEM begegnen sich Recht und Psychologie, Fürsorge und Organisation, Prävention und Wirtschaftlichkeit.

Warum wird BEM nie zur Routine?
Im BEM gibt es keine Routine, weil jedes Verfahren neue Fragen stellt: Was braucht dieser Mensch? Was braucht diese Organisation? Und wie lassen sich beide Perspektiven verbinden? Diese Unvorhersehbarkeit ist anstrengend, aber auch der Motor für professionelles Lernen.
BEM zwingt dazu, hinzuschauen – jenseits der Aktenlage. Kein Gespräch verläuft gleich, kein Fall folgt einem Standardmuster.
Selbst nach Jahren der Praxis gibt es Momente, in denen man überrascht ist: von einer Reaktion, einer Wendung, einem Missverständnis.
Ich habe gelernt, diese Komplexität nicht als Störung zu sehen, sondern als Herzstück des Prozesses.
BEM ist kein Puzzle, das man einmal zusammensetzt und dann versteht. Es ist eher wie ein Kaleidoskop – mit jedem Blick verändert sich das Muster, und genau das hält es lebendig.
In meinen BEM Online-Tagesseminaren greifen wir solche Situationen auf. Nicht um sie zu vereinfachen, sondern um sie zu verstehen: Wie kann man im Gespräch präsent bleiben, wenn Emotionen hochgehen? Wie gelingt Struktur, ohne Menschen zu verlieren?

Was lehrt BEM über Menschen und Organisationen?
BEM ist auch ein Lernfeld für Organisationen: Es zeigt, wie offen sie mit Unsicherheit umgehen, wie sie Kommunikation gestalten und wie sehr sie Vertrauen als Ressource begreifen. Jeder BEM-Fall ist ein Gradmesser für Unternehmenskultur.
Ein Unternehmen, das BEM ernsthaft lebt, sendet eine klare Botschaft: Wir sehen nicht nur die Arbeitskraft, sondern den Menschen.
Das ist leicht gesagt, aber schwer umzusetzen.
Im Alltag zeigt sich, wie BEM-Fälle Organisationsgrenzen sichtbar machen: zwischen Personalabteilung und Führung, zwischen Fürsorge und Effizienz, zwischen Schweigepflicht und Informationsbedarf.
Diese Spannungen sind normal. Entscheidend ist, ob man sie erkennt und bearbeitet.
Viele Führungskräfte erleben BEM-Gespräche als Gradmesser ihrer Haltung:
Bin ich bereit, zuzuhören, auch wenn ich keine Lösung habe?
Kann ich auf Augenhöhe sprechen, wenn Strukturen Druck erzeugen?
Solche Fragen lassen sich nicht theoretisch beantworten, sie müssen erlebt, reflektiert und trainiert werden.

Warum lernt man im BEM nie aus?
Wer BEM begleitet, lernt ständig dazu – über Menschen, Organisationen und sich selbst. Handlungskompetenz entsteht nicht durch Erfahrung allein, sondern durch bewusste Reflexion.
Ich bin überzeugt: Im BEM gibt es keine „fertigen Profis“. Selbst wer seit Jahren im Feld arbeitet, bleibt Lernender.
Denn BEM bedeutet, in einer sich wandelnden Arbeitswelt handlungsfähig zu bleiben – bei steigender psychischer Belastung, Fachkräftemangel und juristischen Veränderungen.
BEM-Expertise entsteht nicht durch Erfahrung allein, sondern durch die Bereitschaft, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und aus jedem Fall zu lernen.
Wissen hilft, Handlungskompetenz entsteht erst im Tun. Und sie bleibt nie statisch. Sie wächst mit jedem Gespräch, jedem Rückschlag, jedem Erfolg.
Die BEM Online-Tagesseminare sind genau so aufgebaut: praxisnah, fallorientiert, reflexiv – nicht, um Rezepte zu geben, sondern um Denk- und Handlungsspielräume zu erweitern.

Warum gehören Recht und Haltung im BEM zusammen?
BEM erfordert juristische Sicherheit und menschliche Sensibilität zugleich. Wer nur Paragrafen kennt, verliert das Vertrauen der Mitarbeitenden; wer nur empathisch agiert, riskiert formale Fehler. Wirksam wird BEM erst, wenn Recht und Haltung verbunden sind.
In der Praxis begegnen mir häufig zwei Extreme:
Das „zu rechtliche“ BEM – formal perfekt, aber ohne Verbindung.
Und das „zu menschliche“ BEM – empathisch, aber rechtlich unsauber. Beides funktioniert nicht.
Ein professionelles Verfahren erkennt an, dass Struktur und Beziehung keine Gegensätze sind.
Das Gesetz gibt den Rahmen, die Haltung füllt ihn mit Leben.
BEM gelingt, wenn man beide Ebenen ernst nimmt: die sachliche und die persönliche.
In den BEM-Inhouse-Seminaren zum BEM-Prozess und Ablauf üben wir, diesen Balancepunkt zu finden – denn dort entscheidet sich, ob ein Gespräch Vertrauen schafft oder Misstrauen hinterlässt.

Warum ist Komplexität im BEM keine Schwäche?
Komplexität im BEM zeigt, dass Gesundheit, Arbeit und Organisation nie eindimensional sind. Wer sie akzeptiert, statt sie zu bekämpfen, kann Prozesse gestalten, die wirklich tragen.
Viele wünschen sich einfache Lösungen: Leitfäden, Checklisten, feste Abläufe.
Das hat seinen Platz, aber ersetzt kein Denken.
Komplexität ist kein Gegner, sondern ein Hinweis darauf, dass wir es mit echten Menschen zu tun haben.
Mich fasziniert, dass BEM gerade dort wirkt, wo Strukturen an ihre Grenzen kommen. Es zwingt uns, mehrere Perspektiven gleichzeitig zu halten – rechtlich, psychologisch, organisatorisch. Diese Vielschichtigkeit fordert, aber sie verhindert, dass BEM zur Formalität verkommt.

Warum braucht BEM Zukunft – und Lernen ist die Brücke dorthin?
Die Zukunft des BEM liegt nicht in mehr Vorschriften, sondern in besserer Lernkultur. Wer BEM als kontinuierlichen Entwicklungsprozess begreift, schafft die Basis für stabile Beschäftigungsfähigkeit und faire Zusammenarbeit.
BEM ist kein abgeschlossenes Kapitel im Personalmanagement.
Es ist ein lebendiger Lernprozess – für Mitarbeitende, Führungskräfte und Organisationen.
In Zeiten des Fachkräftemangels wird es zu einem strategischen Instrument:
Es schützt Wissen, Erfahrung und Gesundheit.
Doch das gelingt nur, wenn die Beteiligten regelmäßig reflektieren und sich weiterbilden. Darum verstehe ich meine Seminare nicht als Schulung, sondern als Lernraum – für Dialog, Austausch und das, was BEM im Kern ausmacht: Haltung.

Fazit: Warum mich BEM immer wieder fasziniert
Mich fasziniert am BEM, dass es Denken, Fühlen und Handeln verbindet. Es ist weder rein juristisch noch rein menschlich – es ist beides. Und genau das macht es zu einem der spannendsten Felder moderner Arbeitskultur.
Jeder BEM-Fall ist einzigartig.
Aber alle haben eines gemeinsam: Sie fordern uns heraus, hinzuschauen, zu verstehen und zu gestalten.
Das BEM zeigt, dass Organisationen dort am menschlichsten sind, wo sie Verantwortung übernehmen – nicht trotz Komplexität, sondern gerade wegen ihr.
BEM ist für mich kein Pflichtprogramm, sondern eine Haltung – eine Schule für Empathie, Struktur und lebenslanges Lernen.
Über den Autor
Manfred Baumert ist Betriebswirt, MBA und Pädagoge mit langjähriger BEM-Expertise an der Schnittstelle von Recht, Psychologie und Organisation.
Er war zehn Jahre ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht Kassel und begleitet heute Unternehmen im Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM).
Neben seiner Beratungstätigkeit entwickelt und leitet er BEM Online-Tagesseminare, in denen Fachwissen, Praxisreflexion und Haltung miteinander verbunden werden.
Er lebt und arbeitet in Kassel und begleitet Organisationen in Dortmund, Frankfurt, Hamburg, Würzburg, Fulda, Göttingen sowie bundesweit.
„Mich fasziniert am BEM, dass es Denken, Fühlen und Handeln verbindet.“
Die im Beitrag verwendeten Bildausschnitte stammen aus großformatigen Arbeiten des Künstlers Heiner Walter.
Die Fotografien zeigen Ausschnitte aus Bildern, die mich seit Jahren begleiten und Teil meines Arbeitsumfelds sind. Heiner Walter ist ein vielfach begabter Künstler: in der Malerei, dem Schaffen von Skulpturen, wertigem Möbeldesign bis hin zur Beratung in Innenarchitektur.
Sie stehen für das, was mich am BEM fasziniert: Struktur im Wandel und Klarheit im Komplexen.

