Warum ist BEM bei Auslandseinsätzen besonders komplex?
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX verpflichtet Arbeitgeber, länger erkrankten Beschäftigten ein strukturiertes Verfahren zur Rückkehr anzubieten. Doch was passiert, wenn Mitarbeitende während einer Entsendung im Ausland längerfristig krank werden?
Viele deutsche Unternehmen sind überrascht: Auch hier gelten die BEM-Pflichten. Eine Erkrankung während einer Auslandstätigkeit entbindet den Arbeitgeber nicht von der Verantwortung. Allerdings wird die Umsetzung erheblich schwieriger:
- Unterschiedliche Gesundheits- und Sozialsysteme im Gastland
- Sprachliche und kulturelle Barrieren
- Rechtliche Schnittstellen zwischen deutschem Arbeitsrecht, Sozialrecht und lokalen Regeln
- Schwierige Koordination von Krankenkassen, Betriebsärzten und Personalabteilung
Die Techniker Krankenkasse macht deutlich: Unternehmen müssen auch bei Entsendungen darauf vorbereitet sein, BEM rechtssicher und praktisch umsetzbar anzubieten (TK, 2024; https://www.tk.de/firmenkunden/service/fachthemen/ausland/langfristig-krank-waehrend-entsendung-2172202?tkcm=aaus).
Welche rechtlichen Vorgaben gelten bei BEM im Ausland?
Ein häufiger Irrtum lautet: „BEM gilt nur im Inland.“ Das stimmt nicht.
- § 167 Abs. 2 SGB IX: Arbeitgeber sind verpflichtet, nach sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit innerhalb von zwölf Monaten ein BEM anzubieten – auch bei Entsendungen.
- DSGVO: Datenschutzrechtliche Vorgaben gelten, wenn Daten in Deutschland verarbeitet werden. Aufklärung, Einwilligung und Dokumentation sind also auch im Ausland zwingend.
- BAG-Rechtsprechung: Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass BEM kein rein formales Verfahren ist, sondern ein ergebnisoffener Suchprozess. Wird ein BEM gar nicht oder fehlerhaft durchgeführt, trägt der Arbeitgeber im Kündigungsschutzverfahren die volle Darlegungslast und muss nachweisen, dass auch ein korrektes BEM keine Perspektive eröffnet hätte (BAG, Urteil vom 10.12.2009 – 2 AZR 400/08; https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/2-azr-400-08/).

Wirtschaftliche Dimension: Warum Erkrankungen von Mitarbeitern im Ausland teuer sind
Arbeitsunfähigkeiten während einer Entsendung belasten Unternehmen doppelt:
- Produktionsausfälle im Ausland und am Standort
- Ersatzpersonal für Projekte vor Ort
- Reisekosten bei Rückführungen
- Verlängerte Lohnfortzahlung
Gerade bei hochqualifizierten Entsendungen können die Kosten eines einzelnen Krankheitsfalls in den sechsstelligen Bereich steigen.
Welche besonderen Herausforderungen stellen sich im Ausland?
Kommunikation und Sprache
Atteste aus dem Ausland sind oft schwer lesbar oder nicht vergleichbar. Sprachbarrieren führen zu Verzögerungen.
Kulturelle Unterschiede
In einigen Ländern werden psychische Erkrankungen tabuisiert. Beschäftigte verschweigen Symptome – eine sensible Gesprächsführung ist hier unverzichtbar.
Schnittstellen mit Sozialversicherung
Während der Entsendung bleibt in vielen Fällen die deutsche Sozialversicherungspflicht bestehen. Das bedeutet: Deutsche Krankenkassen und Reha-Träger müssen eingebunden werden.

BEM: Warum mehr- und langjährige Beratungserfahrung unverzichtbar ist
Gerade bei Auslandsszenarien zeigt sich, wie wichtig Beratungserfahrung ist.
- Erfahrene BEM-Berater erkennen Stolpersteine frühzeitig: kulturelle Missverständnisse, fehlende Transparenz, datenschutzrechtliche Grauzonen.
- Langjährige Erfahrung bringt Souveränität: Erkrankte Beschäftigte im Ausland brauchen Sicherheit. Ein Berater, der viele komplexe Fälle begleitet hat, strahlt diese Ruhe aus.
- Netzwerke: BEM-Profis mit Erfahrung haben teils langjährige Kontakte zu Krankenkassen, Reha-Trägern und spezialisierten Beratungsstellen, die auch für Entsendungen wertvoll sind.
Fazit: Beratungserfahrung ist nicht nur wünschenswert, sondern zwingend erforderlich, um internationale BEM-Fälle rechtssicher und wirtschaftlich erfolgreich zu gestalten.
BEM bei Auslandsentsendungen ist besonders anspruchsvoll. Es erfordert:
- Gesprächsführungskompetenz, um Vertrauen und Transparenz zu schaffen.
- Mehr- und langjährige Beratungserfahrung, um komplexe Konstellationen souverän zu steuern.
Unternehmen, die ihre HR- und BGM-Verantwortlichen gezielt schulen – etwa in einer BEM Ausbildung oder durch BEM Online Seminare – schaffen nicht nur Rechtssicherheit, sondern sichern auch ihre Wirtschaftlichkeit bei internationalen Einsätzen.
Über den Autor
Manfred Baumert bringt die seltene Kombination aus Betriebswirtschaft, Pädagogik und langjähriger Erfahrung im Gesundheits- und Sozialwesen in das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ein. Als zertifizierter Case Manager versteht er nicht nur die Strukturen komplexer Versorgungssysteme, sondern auch die Dynamiken, die über Erfolg oder Abbruch im BEM entscheiden.
Ein besonderer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf der Gesprächsführungskompetenz: Ausgebildet nach dem Ansatz von C. R. Rogers und geschult in Krisenintervention, vermittelt er Sicherheit in hochsensiblen Situationen – sei es bei psychischen Belastungen, Konflikten zwischen Belegschaft und Führung oder drohenden Abbrüchen im Verfahren.
Er verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, bei dem rechtliche Rahmenbedingungen, ökonomische Effizienz und psychologische Faktoren zusammengeführt werden. Damit unterstützt er Unternehmen unterschiedlichster Branchen beim Aufbau von BEM-Prozessen, die nicht nur rechtlich Bestand haben, sondern auch im Alltag tragfähig und anschlussfähig sind.
Sein Ziel: Nachhaltige Wiedereingliederung statt formaler Pflichtübungen. Mit lösungsorientierten Strategien, wirtschaftlicher Wirkung und psychologischem Fingerspitzengefühl trägt er dazu bei, Fehlzeiten zu senken und den Fachkräftemangel spürbar abzumildern.